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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 12.05.2006
Aktenzeichen: 8 U 782/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 530 | |
ZPO § 278 Abs. 1 | |
ZPO § 278 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 445 | |
ZPO § 445 Abs. 2 | |
ZPO § 448 |
Wenn der Mandant jedoch über das Risiko der beabsichtigten rechtlichen Gestaltung umfassend informiert ist und sich nach langwierigen Verhandlungen eigenverantwortlich zum Abschluss eines Vergleichs entschließt, hat der Anwalt den Mandanten nicht zu bevormunden, sondern seine Entscheidung zu respektieren.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 8 U 782/05
Verkündet am 12. Mai 2006
In dem Rechtsstreit
Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Hölzer, den Richter am Oberlandesgericht Marx und die Richterin am Oberlandesgericht Speich auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2006
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von dem Beklagten, seinem vormaligen Prozessbevollmächtigten, Ersatz eines Schadens in Höhe von 62.377,61 €, der dadurch entstanden sei, dass der Beklagte ihn zum Abschluss eines ihm ungünstigen Vergleichs in der mündlichen Verhandlung vor dem 2. Zivilsenat des Oberlandesgericht Koblenz am 29. November 2001 bewogen habe.
Der Kläger hat vorgetragen,
der Beklagte habe bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem 2. Zivilsenat vom 29.11.2001 keine Kenntnis vom Schuldschein sowie seinen rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergründen und seiner Werthaltigkeit gehabt.
Der Senat habe zunächst mitgeteilt, dass er nicht wisse, wie er die Frage des Widerrufs des Schenkungsangebots nach § 530 BGB entscheiden werde. Der Senat habe dann sogleich ein Vergleichsangebot - Zahlung von 65.000 DM durch ihn - unterbreitet, das er abgelehnt habe. Er habe auch den zweiten Vorschlag - Zahlung von 45.000 DM und Verzicht auf die Rechte aus dem Schuldschein - abgelehnt. Der Beklagte habe ihn in dieser Situation nicht beraten, obwohl er ihn wiederholt darum gebeten habe. Er habe sowohl dem Senat als auch dem Beklagten erklärt, dass er alles nicht verstehe, und seine Überforderung mehrfach zum Ausdruck gebracht. Unbeeindruckt hiervon habe der Beklagte ihn nur noch gefragt, was er überhaupt zahlen könne. Er habe irritiert mitgeteilt, dass ihm maximal 5.000 DM bis 10.000 DM zur Verfügung stünden. Der Beklagte habe zudem annähernd wörtlich erklärt, dass "diese Kammer eine solche Verhandlung noch nie geführt habe und vollkommen überfordert sei. Daher werden Sie beide Prozesse verlieren, wenn sie dem Gericht nicht entgegenkommen."
Nach einer Beratung in Besprechungszimmer des Senats habe der Senat den später abgeschlossenen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Die Frage des Senats, ob er den Inhalt des Vergleichsvorschlags begriffen habe, habe er verneint. Noch vor Protokollierung des Vergleichs habe der Senatsvorsitzende mitgeteilt, dass das Schenkungsangebot nicht sittenwidrig gewesen sei und die damalige Berufungsklägerin den Urkundenprozess auch im Nachverfahren verloren hätte. Er habe schließlich dem Vergleich schließlich - völlig überfordert und entnervt - zugestimmt.
Bei zutreffender Beratung hätte er jedenfalls nicht auf den im Urkundenvorbehaltsurteil titulierten Anspruch verzichtet. Es sei nicht erforderlich gewesen, den Schuldschein in den streitgegenständlichen Vergleich einzubeziehen. Sowohl im Berufungsverfahren als auch im Nachverfahren wäre er nicht unterlegen. Es sei ihm in der Tat sehr wichtig gewesen, das Haus zu bekommen. Er habe aber auch das Geld aus den Schuldscheinen gewollt.
Der Beklagte hat vorgetragen,
angesichts der völlig offenen Prozesssituation sei der Vergleich vernünftig und dem Kläger günstig gewesen. Der Senat habe erklärt, dass keine Sittenwidrigkeit vorliege, er sich aber keine abschließende Meinung dazu, ob ein Widerruf möglich sei, gebildet habe. Der Senat habe nicht erklärt, dass das Urkundenvorbehaltsurteil im Nachverfahren standhalten werde.
Es sei zu dann zu einer zweistündigen Diskussion gekommen, bei der um einen Vergleich gerungen worden sei. Dies habe der Kläger auch recht gut verstanden, weil er noch Monate später in der Lage gewesen sei, den Geschehensablauf im Detail zu rekonstruieren. Dies folge aus den Schreiben des Klägers an die damalige Bundesjustizministerin vom 23.7.2002 (Blatt 188 BA) sowie an die Rechtsanwälte D... vom 26.2.2002(Blatt 145 BA). Der Kläger sei persönlich anwesend und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen. Er sei nicht überfordert bzw. genervt gewesen. Der Kläger habe den Vergleich unbedingt gewollt, um sicherzustellen, dass er das Hausgrundstück bekomme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten bereits nicht schlüssig dargelegt. Nach seinem eigenen Vortrag habe kein Beratungsbedarf bestanden, weil der Senatsvorsitzende vor Abschluss des Vergleichs erklärt habe, der Kläger werde auch das Nachverfahren gewinnen. Der Kläger sei sich - nach dem persönlichen Eindruck, den die Kammer von dem Kläger gewonnen habe - trotz seines Alters der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung des Vergleichs bewusst gewesen.
Die Empfehlung zum Vergleichsabschluss sei bei sorgfältiger Interessenabwägung sachgerecht gewesen, da der Wert des Hausgrundstücks sich auf 175.000 DM belaufen habe und nach dem Hinweis des Senats zum Widerruf der Schenkung der Verfahrensausgang ungewiss gewesen sei. Bei dem Vergleich habe es sich somit um eine wirtschaftlich nachvollziehbare Lösung gehandelt.
Der Kläger sei jedenfalls beweisfällig für seine Behauptung geblieben, dass er bei entsprechender Belehrung dem Vergleich nicht zugestimmt hätte. Die beantragte Parteivernehmung des Klägers, der der Beklagte widersprochen habe, sei unzulässig.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter. Zur Begründung führt er aus,
das Landgericht berücksichtige nicht, dass der Beklagte auf der Grundlage des angefochtenen Urteils des Landgerichts Trier eine vollständig eigenständige und hinreichend differenzierte rechtliche Bewertung und Beratung in Bezug auf den Schenkungswiderruf hätte durchführen müssen, die nicht erfolgt sei. Das Landgericht unterstelle schlicht, dass der damalige Hinweis des Senats zum Widerruf der Schenkung ausreiche, um den Beklagten von seiner Beratungspflicht zu entbinden. Dabei diene das Offenlassen einer Entscheidungstendenz durch ein Gericht zu Beginn einer mündlichen Verhandlung primär dazu, die Vergleichsbereitschaft der Parteien zu fördern.
Die Ausführungen des Landgerichts zur vermeintlichen Beweisfälligkeit seien widersprüchlich und rechtsverletzend. Soweit das Landgericht unterstelle, dass er für seine Behauptung, den Vergleich nicht gewollt zu haben, beweispflichtig sei, übersehe es, dass er mangels Beratung gar nicht in der Lage gewesen sei, die rechtliche und wirtschaftliche Dimension des Vergleichs zu erfassen. Er sei auch nicht beweisfällig geblieben, da sein Beweisantritt schlicht "Parteivernehmung" lautete. Daher hätte das Gericht die Vernehmung des Beklagten und hierauf folgend seine Vernehmung anordnen müssen. Auch die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO seien gegeben, da das Landgericht davon ausgegangen sei, dass andere Beweismittel nicht existierten.
Er sei nicht geschäftsgewandt. Das Landgericht habe einen solchen Eindruck nicht gewinnen können.
Der Beklagte habe objektiv mangels Sachkenntnis hinsichtlich des Schuldscheins keine Interessenabwägung vornehmen können. Der Schuldschein beziehungsweise das Verfahren vor dem Landgericht Trier seien zu keinem Zeitpunkt in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Koblenz am 29.11.2001 thematisiert worden. Der Schuldschein sei erst in den letzten Vergleichsvorschlag des Senats einbezogen worden. Zu dem vorgeschlagenen Vergleich habe er dezidiert "Nein" gesagt. Er sei von dem zu Protokoll genommenen "kombinierten Vergleichsvorschlag" insgesamt überrascht gewesen. Er hätte das Nachverfahren gewonnen, allenfalls wäre es zu einer Non-Liquet-Entscheidung gekommen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung hätte er sich sogar bei Annahme des ersten gerichtlichen Vergleichsvorschlags um Faktor drei besser gestellt als bei dem tatsächlich abgeschlossenen Vergleich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 18.5.2005 zum Aktenzeichen 15 O 147/04 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 62.377,61 € nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt aus,
ihn treffe keine Beratungspflichtverletzung. Der Kläger sei bei der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Koblenz persönlich anwesend und örtlich, zeitlich und sachlich höchst orientiert gewesen. Auch das Landgericht habe den Eindruck gewonnen, dass der Kläger in geschäftlichen Dingen sehr gewandt sei.
Aufgrund der mehrstündigen Verhandlung habe der Kläger aufgrund der Hinweise des Beklagten und des Senats Kenntnis von den Risiken betreffend das dem Senat vorliegende Verfahren und das Parallelverfahren betreffend die Schuldscheine gehabt und gewusst, dass ein Obsiegen in beiden Verfahren keine ausgemachte Sache gewesen sei.
Im Urkundenprozess habe der Kläger allein aufgrund der besseren Beweissituation einen vorläufigen Erfolg erzielt. Die zugrunde liegende materielle Rechtsfrage sei nicht entschieden worden. Dementsprechend habe das Landgericht Trier nach übereinstimmender Erledigungserklärung die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben (Beschluss des Landgerichts Trier vom 1.7.2002 Aktenzeichen 3 O 164/00). Hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Erfüllung des Schenkungsangebots habe der Senat erklärt, dass "die Sache auf der Kippe stehe". Insoweit wäre abzuwarten gewesen, wie sich der Bundesgerichtshof bei einer eventuellen Revision hinsichtlich der Frage der Sittenwidrigkeit entschieden hätte, da das in Frage stehende Vertragskonstrukt die Ehefrau des Klägers an die Ehe gefesselt habe.
Vor diesem Hintergrund habe sich der Kläger in eigener Verantwortung und hinreichend aufgeklärt dazu entschlossen, sich im Wege des Vergleichs das Haus in K... im Wert von 175.000 DM gegen Zahlung von 10.000 DM zu sichern und im Gegenzug auf die Rechte aus dem Schuldschein zu verzichten.
Die Formulierung "Parteivernehmung" stelle kein taugliches Beweisangebot dar, da bewusst offen gelassen werde, ob eine Parteivernehmung des Klägers oder des Beklagten gewollt sei. Eine Einvernahme des Klägers nach § 448 ZPO komme nicht in Betracht.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Beklagten fällt kein Verstoß gegen anwaltliche Beratungspflichten zur Last.
Dem Kläger ist im Grunde darin zuzustimmen, dass ein gerichtlicher Vergleichsvorschlag den Anwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Beratung der Partei entbindet. Es hängt jedoch von den Umständen des Einzelfalls ab, wie sich ein Rechtsanwalt im Zusammenhang mit dem Vergleichsvorschlag des Gerichts zu verhalten hat (OLG Frankfurt NJW 1988, 3269, 3270). Nach Auffassung des Senats sind im vorliegenden Fall folgende Umstände zu berücksichtigen:
Das erklärte Ziel des Klägers bestand darin, sich das Haus in K... als Wohnsitz zu erhalten. Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 20.04.2005 eingeräumt, dass es ihm "in der Tat wichtig war, das Haus zu bekommen" (Bl. 99 GA).
Die Sach- und Rechtslage wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz am 29.11.2001 umfassend erörtert. Der Beklagte war deshalb nicht verpflichtet war, sämtliche Gesichtspunkte nochmals mit dem Mandanten zu erörtern, da dieser die Risiken der beabsichtigten rechtlichen Gestaltung kannte (BGH NJW-RR 2000, 791, 792). Dies gilt umso mehr als auch der Anwalt keine eindeutige Rechtsauskunft oder eine klare Prognose über den Ausgang eines Prozesses geben kann, da viele Unsicherheitsfaktoren abzuwägen sind (BGH NJW 1985, 264; OLG Frankfurt NJW 1988, 3269, 3270).
Soweit der Kläger das Gegenteil behauptet, erscheint dies dem Senat nicht nur angesichts der Zeitdauer der Verhandlung unglaubhaft. Die Behauptung widerspricht auch dem Protokoll vom 29.11.2001 (Bl. 146 der Beiakte 3 O 94/00), in dem zusammenfassend festgehalten ist, dass "die Sach- und Rechtslage...mit den Parteien eingehend erörtert" wurde. Die Behauptung, das den Schuldschein betreffende Verfahren des Landgerichts Trier sei zu keinem Zeitpunkt thematisiert und der Schuldschein erst in den letzten Vergleichsvorschlag des 2. Zivilsenats einbezogen worden, widerspricht nicht nur dem eigenen klägerischen Vortrag in der Klageschrift vom 19.3.2004 (Seite 5), sondern auch den dezidierten Ausführungen des Klägers in seinem acht Monate nach der Verhandlung gefertigten Schreiben an die vormalige Bundesjustizministerin vom 23.7.2002 (Bl. 189 der Beiakte 3 O 94/00 LG Trier) sowie in dem weiteren, an die Rechtsanwälte D..., gerichteten Schreiben vom 26.02.2002 (Bl. 197 der Beiakte 3 O 94/00 LG Trier).
Die detaillierten Schilderungen des Verhandlungsverlaufs in diesen beiden Schreiben widerlegen auch die Behauptung des Klägers, er habe den Verhandlungen nicht folgen können und alles nicht verstanden. Beide Schreiben lassen erkennen, dass es sich bei dem Kläger - ungeachtet seines Alters - gerade nicht um eine unerfahrene und geschäftsungewandte Person handelt. Der Kläger hat zudem nicht nur vor dem Landgericht Koblenz, sondern auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 28.04.2006 einen verständigen, entschlossenen Eindruck gemacht. Dass der Kläger gerade nicht völlig überfordert und willenlos war, zeigt sich auch darin, dass er zwei Vergleichsvorschläge abgelehnt hat, bevor er sich entschloss, den streitgegenständlichen Vergleich zu schließen. Seine mit Schriftsatz vom 25.01.2006 erstmals aufgestellte Behauptung, er habe zu dem vorgeschlagenen Vergleich "dezidiert" "Nein" gesagt (Seite 3 - Bl. 218 GA), wird durch das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem 2. Zivilsenat vom 29.11.2001 widerlegt. Aus diesem Protokoll geht nämlich hervor, dass der Vergleich vorgelesen und genehmigt wurde ("v.u.g." Seite 3 - Blatt 147 der Beiakte 3 O 94/00 LG Trier).
Der Kläger war sich bei Abschluss des Vergleichs auch bewusst, dass diese Entscheidung endgültig ist. Noch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 28.4.2006 hat der Kläger behauptet, er sei erst nach Abschluss des Vergleichs hierüber informiert worden. Nach Vorhalt seines Schreibens an die Rechtsanwälte D... vom 26.2.2002 (Anlage Seite 2 letzter Absatz - Blatt 197 der Beiakte 3 O 94/00 LG Trier) hat er jedoch eingeräumt, dass er möglicherweise doch vor Abschluss des Vergleichs darüber informiert worden sei, dass er gegen den Vergleich "keine Berufung zum Bundesgerichtshof einlegen" könne.
Es war völlig offen, ob der Kläger das Ziel, sich das Wohnhaus in K... zu erhalten, auf prozessualem Wege würde erreichen können.
Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hatte den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2001 unstreitig darauf hingewiesen, dass er hinsichtlich der Frage, ob die Berufungsklägerin das Schenkungsangebot widerrufen könne, noch keine abschließende Meinung habe finden können; die Sache stehe auf der Kippe, die Entscheidung könne für und gegen den Widerruf lauten. Damit war der Ausgang des Verfahrens offen.
Soweit der Kläger vorträgt, dass "das Offenlassen einer Entscheidungstendenz durch das Gericht durchaus und insbesondere zu Beginn einer mündlichen Verhandlung primär dazu dient, die entsprechende Vergleichsbereitschaft der Parteien zu fördern", kann dem nicht gefolgt werden. Eine solche, § 278 Absatz 1 und 2 Satz 2 ZPO widersprechende Verfahrensweise mag im Einzelfall vorkommen. Dass der Kläger sich hierauf bei einer unstreitig mehr als zweistündigen Güteverhandlung vor dem 2. Zivilsenat bezieht, ist nicht nachvollziehbar.
Ebenso war völlig offen, ob sich ein für den Mandanten günstiges Ergebnis in der nächsten Instanz würde erreichen lassen. Hier bestand nicht nur ein erhebliches Kostenrisiko. Vielmehr hatte der Mandant - wenn auch in anderem Zusammenhang - auf sein Alter verwiesen. Der Vergleich bot daher die Möglichkeit, dem zum damaligen Zeitpunkt 77-jährigen Mandanten alsbaldige Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu verschaffen.
Entsprechendes gilt hinsichtlich des in den Vergleich einbezogenen Verfahrens 3 O 164/00 Landgericht Trier. Der Kläger hatte zwar im dortigen Verfahren obsiegt. Auch hier bestand jedoch eine erhebliche Rechtsunsicherheit, da lediglich ein Urkundenvorbehaltsurteil ergangen und der dortigen Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten war.
Der Kläger hat an der ausführlichen Güteverhandlung des 2. Zivilsenats teilgenommen. Er hat - davon ist der Senat überzeugt - den Vergleichsverhandlungen folgen können. Wenn der Kläger sich nach langwierigen Verhandlungen eigenverantwortlich zum Abschluss des Vergleichs entschloss, hatte der Beklagte den Mandanten nicht zu bevormunden, sondern seine Entscheidung zu respektieren (Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Auflage 2005, Rn. 121). Denn der Mandant - und nicht sein anwaltlicher Vertreter - soll nach Aufklärung über die Rechtslage entscheiden, ob und mit welchem rechtsgeschäftlichen Inhalt er Erklärungen abgibt (BGH NJW-RR 2000, 791, 792; OLG Frankfurt NJW 1988, 3269, 3270; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Auflage 2003, Rn. 819).
Der zu erzielende Vergleich wahrte die Rechte des Klägers auch nicht so unzulänglich, dass der Beklagte den Kläger von dem gerichtlich vorgeschlagenen Vergleich hätte abraten müssen und eine Fortsetzung des Rechtsstreits unbedingt vorzuziehen gewesen wäre (BGH VersR 1968, 450, 451; OLG Frankfurt NJW 1988, 3270; Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Auflage 2005, Rn. 118).
Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass dem Anwalt ein Spielraum zu belassen ist, dessen er bei gewissenhafter Interessenabwägung bedarf (BGH NJW 1968, 450, 451; OLG Oldenburg NJW-RR 1991, 1499; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Auflage 2003, Rn. 279; Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Auflage 2005, Rn. 118). Es würde das Ende jeder Vergleichspraxis bedeuten, wenn man ihn in jedem Fall einer "Vergleichsreue" stets Schadensersatzansprüchen der Partei aussetzen würde.
Soweit der Kläger schließlich darauf verweist, er sei nicht beweisfällig für die Behauptung, den Vergleich nicht gewollt zu haben, geblieben, ist darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen einer Parteivernehmung hier nicht vorlagen. Einer Vernehmung des Beklagten als Partei bedurfte es nach § 445 ZPO nicht. Der Senat erachtet es - wie dargelegt - insbesondere aufgrund des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem 2. Zivilsenat vom 29.11.2001 für erwiesen, dass der Kläger umfassend informiert und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte dem protokollierten Vergleich zugestimmt hat, § 445 Abs. 2 ZPO.
Eine Vernehmung beider Parteien war entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht nach § 448 ZPO geboten. § 448 ZPO befreit die beweisfällige Partei nicht von den Folgen der Beweisfälligkeit. Der Zweck des § 448 ZPO besteht vielmehr darin, dem Gericht ein Mittel zur Gewinnung letzter Klarheit in den Fällen an die Hand zu geben, in denen nach dem Ergebnis der Verhandlung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung spricht und andere Erkenntnisquellen nicht mehr zur Verfügung stehen (Zöller-Greger, ZPO, 25. Auflage 2005, § 448 Rn. 2). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 62.377,61 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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